Ludwig Stegmüller
Die Perfektion des feinen Striches

Die "Kapfenberger Weihnacht"
des Ludwig Stegmüller



Das Eintausend - Jahr - Geschichts - Wander - Bild

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Welch wunderliche Zeitmaschin! Sich im Sofakissn verkuscheln, das Bild vor sich halten und mit großen Augen wandern gehn. Das wunderliche Augen-Wander-Bild! Die Augen gekniffen, und oben sind wir bei dem Kircherl, das sie Maria Rehkogel (1) heißen. Ein Admonter war's, der Herr Abt Antonius, der's bauen hat lassen um 1490 herum. Vor dem Portal kann die Zeitmaschin rasten, und wir schaun den Steinmetzen zu, wie sie das kunstvolle Portal aufsetzen und den gotischen Taufstein. Und jetzt bringens den Petrus herein und die Maria Magdalen.

Aber Zeit ist nicht, wirf an die Maschin und fahr ein paar hundert Jahr zrück, so bis 1173 etwa und land im Hof der Oberen Burg (2) der mächtigen Stubenberger. Viele Jahre gibt's Minnesang und Turnier, Krieg und auch Pestilenzen. Wennsd' Zeit hast, wart, bis der Przemysl Ottokar kommt und sich das Steirerland nimmt und den Adel ins Verlies wirft, so um 1268. Dem Wulfing von Stubenberg hat er die Ringmauern brochn, und so hebm die Stubenberger an, das „nider haus" zbaun. Noch findst Mauerbrocken zwischen Baumwurzel, Brocken, die der Stegmüller in seinem Bildl schön zur Burg wieder aufbaut hat.

In einer feinen Urkund von 1328 kannst lesen, wie nobel das „nider haus" (3) schon gwesen ist, und alles ist so genau beschriebm, so daß man danach die Burg hätt zeichnen können. Aber vor hundert Jahr war's schon a Leich, so grau und modrig ah. Seit unsere fünfziger Jahr war's ein Hotel, aber das hat auch nicht lang ghalten. Und heut war‘s verstaubt, daß wieder wer lebendig macht.

Vom Mürztal horchen zwei Schlösser herunter, Unterlorenzen (4), von dem die Pergament schon im  11. Jahrhundert verzähln, und die Wasserburg Spiegelfeld (5). Hei, die Spiegelfelder! Vor einem Krieg habn sie sich doppelt fürchten müssen: Nicht nur, daß er ihnen das eigene Gut hat nehmen können, nein! Wenn ein Stubenberger vom Türk gfangen worden ist, habens ihn auch noch auslösen müssen.

Am häufigsten sind auf uns die Kirchn kommen, weils so wichtig immer warn für die geistige Ansprach. Saus rüber zu Sankt Martin (6) und denk dabei, daß alle alten Kirchn auch eine Art Zeitmaschin sein, weil a jeds Jahrhundert seine Plakat draufpappt hat. Schau her, da klopfens die Stein, so bald nach 1000 ist's, und ein Kircherl wird's werdn, a romanisches halt, und um 1300 hat's gotisch müssen werdn, und hundert Jahr drauf hat's a Rautengwölb kriegt Um die Zeit ist's auch gwesen, daß ein Hakenschmied zwei Glasfenster gstift hat. Und das Barock hat um 1770 Kanzel und Altar dazutan. Ja, und so ist a Kirchn wirklich eine Zeitmaschin. A steinerne Zeitmaschin. So was braucht der Mensch, weil er sich sonst nicht auskennt in sein kurzen Lebm.

Deshalb tut's auch so weh, wenn man was abreißt, wie die alte Schul (7) beispielsweis mit dem schön gewesenen Knickdachl. Weil man's so lieb ghabt hat, so lieb wie sein eigenen Arm, so ist's halt so, als ob sie einen den Arm abghackt hätten.

Aber jetzt burr ma zrück, so um 1446, da ist Dachgleich beim Hammerherrenhaus (8), zum Mühlhammer wohl. Ringelschmied werden einziehn, Ringelschmied, die die Ring schmiedn für die gpanzerten Hemden. Aber so 1695 ist's jetzt und der Hammer brennt ab, und so siedelt der Herr Pfarrer ein. Ein Pfarramt wird's, ja, und deshalb steht's heut noch.

Ein Sprüngerl über die Straßn ist der Kirchhammer (9) gstanden, einer von den vielen am Thörlbach, an der Laming und der Mürz. Einen davon hätt man stehn lassen müssen, ja! Aber nein, alles muß hingmacht werden, damit man a neuchs Kulturhaus baun kann, in das man ein Teil von eim Hammerwerk stecken kann, ein Teil, der schon tot war, weil er aus seim Heimathäusl grißn wordn ist, und der jetzt a zweites Mal begrabm wird.

Zur Altstadt möchst rüber? Drucks Knöpfl vom 12. Jahrhundert. Aha, die Stubenberger! Dischkutiern tans. Die Burg, die stand jetzt und der Meierhof. Aber wer versorgt uns mit Brot und Hafner- und Weber- und Ledersachn? Ein Markt muß her. Den habns dann baut, in der Mittn habns die Straßn ein bißl breiter baut für die Marktleut. Aber bald war das zgring für den Verkehr und den Handel, das Gewerb und die Gastwirt. So habns ein Marktplatz anglegt, 1265 schreibt man jetzt, für das Gewerb und den Handel, die Fuhrwerk aber habens in einer untern Straßn vorbeilaßn. Was denkst dir? Unsere Heutigen könnten was lernen draus? Sags nur laut, daß sie's auch hörn!

Durch die schmaln Gaßln (10) möchst gehn? Bitte sehr! Wie in einem gemeinsamen Wohnzimmer kommst dir vor? Die Schwibbögn, die die Häusl auseinanderhalten, sind wie Tram in einer Stubn? Ja weißt, Ort und Stadt hab‘s baun können, die Alten. Zsammgehört hat ma, zhausgfühlt habm sie sich.

An Hauptplatz? Ja, da steig ma wieder in unser Maschin! Das Alte Rathaus (11)! In welchem Jahrhundert wir anstarten solln, weiß keiner. Aber viel Teil sind aus der Renaissance mit dem schlanken Türml. Im Rokoko, so um 1780 rund, siehst, wie gschickte Stukkateur schöne Brauen über die Fenster legen. Wenn ma ins 1814er Jahr ankommen, stellst die Zeitmaschin ein bißl auf die Seitn, weil Platz muß sein für die Leut, die das brennate Haus löschn wolln. Feuerloh steigt's rot auf, und der Turm fallt zsamm, und die Vertrag und Urkund und alles verglost. Ein Sprüngl mach ma ins Heute? Schön hergricht! Kann ma nix sagn. aber der Turm steht nur noch beim Stegmüller. Ganz schwindlig bist von dera Zeitraserei? Gut, gehn ma über die Brückn und setz ma uns her. Das Tor dort? Das Grazer oder Brucker Tor (12), wie's wirklich gheißn hat, weiß keiner mehr. Wohl gfühlt hat ma sich, wenns für die Nacht zugsperrt habn. Darf heut auch nicht mehr sein. Wo kam man da hin, wenn nicht a paar Auto gleichzeitig durchschliafn könntn?

Das Haus mit den Bogerln? Das Wirtshaus „Zum goldenen Engel" (13) hat man's gheißen. Ein Herberg war's für die Fuhrleut, die mit den dreispännigen Triesterwagn durchzogn sein. Ja, den Hof gibt's noch. Ein Hotel, ein nobles, könnt ma machn draus. Belebert's wieder, das alte Viertel.

Das Häusl vorn an der Mürz? Schicker nennens es heut. A Gasthaus, a guats. Davor? Fahrn ma siebzig, achzig Jahrln zrück. Ein Brauhaus (14)? Ein berühmtes Bier hat der Hörn braut und dann zuletzt der Alois Mörtl. Nicht weit daneben, das war die alte Schmiedn (15). Abgrlßn und wegtan. Ist schad drum um solche Sachn. Hätt man einen einstelln können, und die Kinder und sonst Leut, die's intressiert, hätten schmiedn können und bastln, mit den Hand also was greifen, also begreifen können. Hätt Freud gmacht und war auch nicht lauter gwesn als a Diskothek.

Von der Schmiedn ist die Stiegn gangen zum Wohnhäusl (16). Manche sinnieren, daß es vorher ein Kirchl gwesn sein muß. Gwjß weiß das keiner, aber ist egal, weil's eh nimmer lebt.

Dahinter? Das war ein Stadl (17). Die Roß sind eingstandn für die Schmiedn. Danach habns die Molkerei hingstellt und nachher ein Fensterwerk, den Franz Matauschek halt.

Genug hast? Gfalln hat's dir? Mit der Stegmüllerschen Zeitmaschin durch tausend Jahr? Gut, gfreut mich! Was? A Frag hast noch? Warum kein neues Häusl auf dem Bild ist? Müßtest den Stegi fragn. Aber ich mein, ich weiß net, ich glaub, die Häusl heut sind wie so ein Orchester, bei dem ein jedes Instrument was anderes spielt. Und das tut weh, und ein Menschen sollt man doch net weh tun, glaub ich, und deswegen eben keine neuchn Häusl auf dem Bildl.